Inhalt
- 1 Die Geschichte vom wahren Wert des Rings
- 2 Wie viel bist du dir selbst wert? – Wie deine Antwort den Ausgang einer Gehaltsverhandlung bestimmt
- 3 Wann hast du dich das letzte Mal bewerten lassen – gefragt oder ungefragt? Und warst du danach vielleicht traurig oder frustriert?
- 4 Welchen Preis hast du für dich selbst festgelegt?
- 5 Fazit: Stärke dein Selbstwertgefühl und sei mutig in Verhandlungen
Die Geschichte vom wahren Wert des Rings
Freie Nacherzählung aus dem Buch „Komm ich erzähl dir eine Geschichte“ von Jorge Bucay
Es war einmal ein junger Mann, den plagten die Selbstzweifel. Immer und immer wieder hatte man ihm gesagt, dass er ein Nichtsnutz sei. Dass er viel zu ungeschickt und einfach nur dumm sei. Das machte ihn sehr traurig und voller Verzweiflung ging er zu einem Meister, um ihn um Rat zu fragen.
Beim Meister angekommen, klagte er diesem sein Leid. Der Meister jedoch blickte nicht mal von seiner Arbeit auf, sondern sagte zu ihm: „Es tut mir leid, junger Mann, ich kann dir da nicht weiterhelfen. Ich muss mich zuerst um meine eigenen Probleme kümmern – vielleicht danach.“
Der junge Mann war traurig über diese Aussage. Wie so oft fühlte er sich zurückgewiesen. Doch dann sagte der Meister zu ihm: „Wenn du mir erst hilfst, mein Problem zu lösen, dann schaue ich mir gerne im Nachgang dein Problem an.“ Der junge Mann fragte: „Was muss ich tun?“ Der Meister gab dem jungen Mann einen Ring und sagte zu ihm: „Geh in die Stadt. Ich möchte den Ring verkaufen, weil ich ein paar Schulden begleichen muss. Geh auf den Markt, zeig diesen Ring den Händlern und frag nach, wie viel du für diesen Ring bekommen würdest. Du darfst den Ring auf gar keinen Fall unter dem Wert von einem Goldstück verkaufen!“
Also machte sich der junge Mann auf den Weg in die Stadt und ging dort zum Markt, um den Ring den Händlern zu zeigen. Doch die Händler lachten ihn aus, als er seine Forderung von einem Goldstück nannte. Jeder sagte ihm: „Ach, dieser Ring ist niemals so viel wert!“ Die allermeisten wollten den Ring sogar gar nicht sehen. Ein Händler bot ihm an, ein Silberstück dafür zu geben. Aber der Meister hatte ihm eingeschärft, mindestens ein Goldstück verlangen zu müssen. So machte sich der junge Mann niedergeschlagen und traurig auf den Weg zurück zum Meister.
Im Büro des Meisters angekommen, sagte er zu ihm: „Es tut mir leid, Meister. Ich habe es leider nicht geschafft, deinen Ring zu verkaufen. Alle haben gesagt, der Ring sei nicht so viel wert. Nur ein einziger Händler wollte mir dafür ein Silberstück geben. Meister, es ist mir leider nicht gelungen, jemanden über den wahren Wert des Rings hinwegzutäuschen.“
Der Meister blickte auf und sagte: „Junger Mann, du hast etwas sehr Wichtiges gesagt. Wir müssen natürlich zuerst den wahren Wert des Rings in Erfahrung bringen, bevor wir ihn verkaufen können. Geh also wieder in die Stadt zu einem Händler, der sich mit Schmuck auskennt, und frag nach dem Wert des Rings.“
Der junge Mann machte sich wieder auf den Weg in die Stadt und suchte einen Schmuckhändler auf. Der Schmuckhändler betrachtete den Ring sorgfältig und sagte dann: „Junger Mann, wenn Sie den Ring sofort verkaufen wollen, dann kann ich Ihnen nicht mehr als 54 Goldstücke dafür geben. Wenn Sie jedoch ein wenig Geduld aufbringen könnten, wäre es sicherlich möglich, den Ring für circa 70 Goldstücke zu verkaufen.“ Dem jungen Mann fiel regelrecht die Kinnlade herunter. „54 Goldstücke?!“ stieß er aus und konnte sein Glück kaum fassen.
Aufgewühlt machte er sich wieder auf den Weg zurück zum Meister. Dort angekommen, erzählte er ihm von den Geschehnissen. Der Meister hörte ihm aufmerksam zu. Als der junge Mann fertig gesprochen hatte, sagte der Meister zu ihm: „Du bist wie dieser Ring: Ein Schmuckstück – kostbar und einzigartig.
Und genau wie bei diesem Ring kann deinen wahren Wert nur ein Fachmann erkennen. Warum also gehst du durchs Leben und erwartest, dass jeder Beliebige um deinen Wert weiß?“
Lass die Geschichte ein wenig auf dich wirken, bevor du weiterliest.
Wie viel bist du dir selbst wert? – Wie deine Antwort den Ausgang einer Gehaltsverhandlung bestimmt
Vor einiger Zeit hatte ich eine Klientin, die Ärztin in einer Klinik war. Sie kam zu mir ins Coaching, weil sie sich gestresst fühlte. Der Grund: Sie musste jedes Jahr ihr Gehalt neu verhandeln und wusste nicht so recht, in welcher Höhe sie verhandeln sollte. Nach der Verhandlung ärgerte sie sich jedes Mal darüber, dass ihre Kollegen – meist Männer – besser verhandelten, obwohl sie teilweise wesentlich weniger Berufserfahrung hatten als sie.
Während der Coachingsitzung wurde relativ schnell klar, was ihr eigentliches Problem war: Geld war für sie kein Motivationskriterium. Sie erzählte mir, sie habe alles, was sie brauche. Ihr Geld reichte zum Leben, sie konnte sich auch mal etwas leisten, ohne lange darüber nachzudenken und sie wusste nicht so recht, wozu sie noch mehr Geld gebrauchen könnte.
Deshalb sind wir ihren persönlichen Motivatoren näher auf den Grund gegangen. Was würde ihr Freude machen? Was würde ihr das Gefühl geben, gut verhandelt zu haben? Am Ende stand auf ihrer Wunschliste:
- eine Weiterbildung
- ein Wochenende weniger Schichtarbeit
- und ein Zuschuss fürs Fitnessstudio
Mit dieser Wunschliste ging sie in das nächste Verhandlungsgespräch. Sie brachte nicht nur die gewünschte Gehaltssumme, sondern auch diese Zusatzleistungen zur Sprache. Sie verhandelte selbstbewusst – und bekam alles!
Als sie mir von dem Verhandlungsgespräch und dem Ergebnis berichtete war sie überglücklich und stolz auf ihr Verhandlungsgeschick – obwohl einige Kollegen weiterhin ein höheres Gehalt ausgehandelt hatten.
Deswegen noch einmal zurück zu meiner Ausgangsfrage: Wie viel bist du dir selbst wert?
Dein Arbeitsvertrag ist nicht immer materiell zu sehen, sondern oft auch immateriell – in Form von Sachwerten oder anderen Leistungen. Was du verhandelst und was dir etwas wert ist, das bestimmst ganz allein du.
Ich habe gerade schon angedeutet: Selbstwert hat oft mit Bewertungen zu tun. Deswegen lautet meine nächste Reflexionsfrage an dich:
Wann hast du dich das letzte Mal bewerten lassen – gefragt oder ungefragt? Und warst du danach vielleicht traurig oder frustriert?
Ich vermute, dass dir jetzt einige Situationen einfallen. Wahrscheinlich liegen viele davon noch gar nicht lange zurück. Das liegt daran, dass wir unter Menschen ständig Bewertungen abgeben. Manchmal sagen wir: „Das kannst du gut!“ oder „Wow, toll gemacht!“ Aber ganz oft hören wir auch Sätze wie: „Das war richtig doof.“ „Das kannst du überhaupt nicht, lass das lieber jemand anders machen.“ „Das hätte ich mir anders gewünscht.“ „Das ist noch nicht so gut, da ist noch Luft nach oben.“
In den allermeisten Fällen passieren diese Bewertungen, ohne dass du darum bittest. Sie passieren einfach. Menschen teilen dir mit, wie du auf sie wirkst.
Manchmal willst du das vielleicht gar nicht hören.
Frag dich dann:
- War die Person, die dich bewertet hat, überhaupt in der Lage, dich objektiv zu bewerten?
- Ging es dabei um ein Bauchgefühl oder um eine fundierte Wahrnehmung?
- War es vielleicht die Meinung von jemandem, der dich kaum kennt?
- Oder befindest du dich in einem Abhängigkeitsverhältnis zu dieser Person – zum Beispiel, wenn es dein Chef ist? Natürlich möchtest du vor deinem Chef gut dastehen.
- Aber ist dein Chef wirklich die richtige Person, um dich objektiv zu bewerten?
- Hat er genügend Einblick in deine Arbeit?
- Hat er dich in verschiedenen Situationen erlebt?
- Hat er das Fachwissen, um beurteilen zu können, ob du deine Arbeit gut oder schlecht machst?
Ich glaube, manchmal müssen wir uns so eine Art „Schutzpanzer“ aneignen. Wir sollten nicht jede Bewertung an uns heranlassen – damit uns nicht jede negative Bemerkung traurig macht, runterzieht oder im schlimmsten Fall unser Selbstwertgefühl mindert.
Das bringt mich zur nächsten und letzten Reflexionsfrage, die ich dir heute stellen möchte:
Welchen Preis hast du für dich selbst festgelegt?
Nach meinem Studium habe ich mich in einer Agentur beworben. Das Vorstellungsgespräch lief sehr gut und dann ging es um die Gehaltsverhandlung. Ich nannte meine Gehaltsvorstellung und der Chef meinte: „Diese Zahl geht auf gar keinen Fall. Das können wir nicht zahlen. Als Berufseinsteigerin hast du kaum Erfahrung. Wir zahlen nicht für den Studienabschluss, sondern nur nach Berufserfahrung.“
Daraufhin sagte ich: „Gut, dann weiß ich Bescheid. Dann passen wir nicht zusammen. Ich habe meinen Wert für mich festgelegt, und unter diesem Wert arbeite ich nicht.“ Ich bin aufgestanden und gegangen. Das war für mich mein inneres „Stoppschild“ – ein klares Zeichen für mein Selbstwertgefühl. Ich hatte für mich eine Schmerzgrenze definiert. Und unter dieser Grenze wollte ich meinen Wert nicht zur Verfügung stellen.
Ich habe meinen „Preis“ festgelegt, innerlich ausgehandelt und nach außen kommuniziert. Wer diesen Wert nicht erkannte, hat mich als Mitarbeiterin nicht bekommen.
Ich lade dich ein, auch für dich deinen Selbstwert festzulegen. Mach dir bewusst, was du wert bist – materiell oder immateriell. Bau dir einen Schutzpanzer auf, damit dich nicht jeder bewerten kann. Und vor allem: Lass nicht zu, dass irgendjemand deinen Wert bestimmt.
Fazit: Stärke dein Selbstwertgefühl und sei mutig in Verhandlungen
Dein Wert – sei es materiell oder immateriell – liegt allein in deiner Hand. Lerne, deinen Wert zu erkennen, zu kommunizieren und zu verteidigen. Ein starkes Selbstwertgefühl ist der Schlüssel für erfolgreiche Gehaltsverhandlungen und ein erfülltes Leben.
Ich wünsche dir, dass du deinen wahren Wert erkennst und selbstbewusst nach außen trägst!
Bis bald!
Deine
